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Die Sammlung Giesenfeld ...

... ist über viele Jahrzehnte hinweg nach und nach entstanden. Als ich im Jahre 1972 anfing, profes­sionell Filme zu drehen, kaufte ich mir entsprechende Geräte, und zwar möglichst preis­werte. Wenn es ein günstiges Angebot gab, stieg ich auf eine bessere Kamera um. Die jeweils „alte“ blieb im Schrank. Später bot ich an der Philipps-Universität Marburg Übungen zum Filmen mit Super 8 an und dafür wurde entsprechendes Gerät gekauft.

Das systematische Sam­meln begann an dem Tag, an dem ich auf ein Exem­plar der berühmten Stu­diokamera Debrie Parvo stieß – jener Kamera, mit der in ganz Europa die meisten Filme der klassi­schen Stummfilmzeit gedreht wurden. Mein Exemplar war stark be­schädigt und in viele Einzelteile zerlegt, was ihren Preis in die Reichweite meiner Mög­lich­keiten senkte. Ich konnte sie, dank der Hilfe des Zentralen Entwicklungslabors der Philipps-Universität Marburg, reparieren und wieder funktionsfähig machen. Die Sammlung, (sie enthält jetzt etwa 400 Kameras) umfasst deshalb viele Amateurkameras der Formate Normal und Super 8, aber es finden sich auch viele Profikameras in 16 und 35 mm, und Geräte im legendären Format 9½.

Die erstaunliche mecha­nische (und zuletzt sogar elektronische) Perfektion der für den „perforierten“ Film gebauten Kameras scheint jetzt nur noch nostalgische Sammler zu interessieren. Video hat die Bilderwelt erobert. In die Kinos wurde die digitale Technik eingebaut. Aber für viele Cineasten haben die überdeutliche Klarheit und kaum zu begrenzende Tiefenschärfe der digitalen Technik immer noch etwas Künstliches. An diesen neuen "Look" scheint sich das Publikum aber inzwischen zu gewöhnen. Unbeantwortet muss die Frage bleiben, wie lan­ge die so gespeicherten Daten ihre Schärfe, Leuchtkraft und Farben behalten – in einer Zeit, in der die Generationen der Aufzeichnungs- und Speicherverfahren immer schneller veralten.

Und der Amateurfilm der alten Art scheint tot zu sein, obwohl es auf der ganzen Welt noch immer eine relativ große Zahl von unbeirrbaren Schmalfilmern gibt. Auch in der Bundesrepublik sind sie immer noch organisiert tätig und es erscheint sogar eine spezielle Fachzeitschrift. Mit den tech­nisch immer besseren „Consumer“-Videokameras gibt es eine die Tradition des klassi­schen Amateurfilms (Familienfilme, Urlaubsfilme) fortführende Bilderproduktion, allerdings mit zwei gravierenden Unterschieden: Einmal werden die Aufnahmen zumeist nicht archiviert, oder es wird nur mit Handy oder Smartphone gefilmt, und auch diese Bilder werden in der Regel nicht aufbewahrt.

Demgegenüber haben die Amateure des perforierten Zeitalters seit 50 Jahren Millionen von Stunden Film produziert, die zum großen Teil noch in Dachböden oder Schränken vorhanden sind. Es ist ein Bilderschatz, wie er wohl nicht erneut entstehen wird: Bilder aus der Alltagswelt, von Ur­laubs-, Freizeit- und Hobbyaktivitäten, Projektionen sozialer Umwelt, die viel aussagen über die Vorstellungen und das Lebensgefühl der Filmer, ja sogar darüber, in welchen Formen die Menschen ihr Leben gesehen, aufgezeichnet und verarbeitet haben. Deswegen sammelt das Kameramuseum solche Filme und führt sie mit entsprechenden Erläuterungen vor.