Kommißbrot mit Nutella

"Der rote Baron", die Titelfigur des neuesten deutschen Erbauungsfilms, war einmal eine Soldatenlegende und soll es offenbar wieder werden: ein Jüngling, der schon mangels Reife nicht schuldig werden kann. Aber da gibt es zwei kleine Probleme: Einmal war Manfred von Richthofen, wie man inzwischen weiß, kein fairer Sportler der feinen englischen Art, sondern ein berechnender Killer, und zum anderen "dürfen wir Deutschen ja keine Helden mehr haben, weil wir schuld an zwei Weltkriegen sind", beklagt sich der Richthofen-Darsteller und Produzent des Films, Matthias Schweighofer. Deswegen habe er keine Fördergelder für seinen Film erhalten und ihn selbst produzieren müssen. Dieser neueste deutsche Jungfilmer plant seine Karriere wie der junge Flieger die seine: nonchalant und naiv, aber unbeirrbar. Richthofen wird zweimal abgeschossen, die Kamera ist nicht dabei. Und das Fliegen ist wie das Filmemachen: ein Schwimmen auf der Oberfläche, um so besser, wenn einen gerade eine patriotische Welle vorantreibt. Und selbst wenn der Film ein Flop werde, sagt er: "Ich muß das einfach machen."

Die Konstruktion des Helden folgt uralten Rezepten und produziert, ungeachtet jeglicher Historie, einen neuen Heldentyp: Schon zu Lebzeiten wird er im Film wie ein Mythos verehrt, weshalb er sich unangepaßt, lässig geben kann: "Wir sind Sportler, Kinder", sagt er, und hat vor allem mit letzterem Recht. Curd Jürgens ist Lichtjahre entfernt.

Kinderhelden gehören zu dem, was Georg Seeßlen das neue "nationale Feel Good Movie" nennt, ein in Fernsehen und Kino omnipräsentes Genre der Geschichtsverwertung, das auf cool-naive Art den Ufa-Film imitiert. Da braucht man sich nicht allzuviel Mühe zu geben bei den special effects. Die am Himmel herumschwirrenden Doppel- oder Tripeldecker sehen im Film eher wie Hornissen aus, und die unten im Boden aufgespießten "irren Kisten" der abgeschossenen Feinde sehen aus wie Kunst-Installationen auf der Documenta. Und als Reaktion auf jenen ‚Vertiefungsdruck', jenen Hauch von schlechtem Gewissen, das die soldatische Heldenverehrung nur in weichgespülter Form als politisch korrekt erscheinen läßt, gibt es noch eine belgische Krankenschwester, die Sätze gegen den Krieg äußert und gleichzeitig für die unabdingbare Liebesgeschichte sorgt, obwohl solches vom historischen Richthofen nicht überliefert ist.

Vor allem aus der Art, wie das erzählt wird, entfaltet sich die ganze Perversität dieser Mischung aus Infantilität und Seifenoper: Käte, die mit den Opfern der heroischen Taten täglich zu tun hat, führt den Strahlemann eines Abends in ihr Lazarett. Es ist dunkel, effektvoll schaltet sie die grelle Festbeleuchtung ein, und da liegen sie, die zermalmten Arme und Beine, die entstellten Gesichter und das Gedärm in den offenen Bäuchen. Während er und wir uns das anschauen müssen, sagt Käte: "Ihr habt die Welt in ein Schlachthaus verwandelt". Und Klein-Manfred? Ist er ergriffen, nachdenklich? Er verzieht keine Miene. Und das große Sinfonieorchester im Off schmiert Tragik-Schaum aufs Bild wie Nutella aufs Kommißbrot: alles nur Kino. Und eine halbe Filmminute später steigt er in ihr Bett.

Schnell ist die verbitterte Pazifistin zur Liebenden geworden, bangt um das Leben ihres Helden. Damit ist sie kompatibel für's Familienkino, in dem auch ein Hauch von Ernst Jünger nicht stört: "Zur Menschheit gehört die Jagd, der Kampf". Und weder den Machern noch dem Publikum scheint die Perversität jenes Satzes aufs Gemüt zu schlagen, den Manfred zu seiner Braut sagt: "Du bist mein größter Sieg" - als habe er sie abgeschossen.

Der Versuch des Regisseurs Müllerschön, einen gemischten Charakter zu gestalten scheitert genauso kläglich wie der seines Darstellers, so etwas zu spielen. Sie können es nicht, und sie wollen es auch nicht. Denn es geht ja nur um das kommerzielle Kalkül, wie man heute am besten Hurrapatriotismus verkaufen kann, obwohl "Deutschland" beide Weltkriege angefangen und verloren hat. Das Erfolgsrezept ist schon bald ein Jahrhundert alt: man singt das Loblied des aufrechten Soldaten auf beiden Seiten. Unser Freund und Feind, steht auf Richthofens Grabmal im von den Alliierten besetzten Gebiet.

Günter Giesenfeld