Einladung ins Paradies

Wer längere Zeit im außereuropäischen Ausland verweilt, dem bietet sich das Fernsehprogramm der Deutschen Welle (DW-TV) als eine Art Brücke zur Heimat an. Der Sender vermittelt Nachrichten aus der deutschen Politik und Gesellschaft wohl hauptsächlich an deutsche Reisende, ist aber auch eine Art Visitenkarte der Bundesrepublik, die sich hier sogar als Repräsentantin Europas aufspielt (Slogan: "aus der Mitte Europas").

Manchmal hat man allerdings Probleme, die Botschaft überhaupt zu verstehen. Anscheinend gibt es andauernde technische Probleme bei der Einspeisung des Programms, jedenfalls im arabischen Raum, aus dem die folgenden Erfahrungen stammen: Ein Drittel der Zeit etwa ist DW-TV ganz ohne Ton, und das kann nicht an der Empfangsanlage über Satellit liegen, denn manchmal kommen nur Teile des Soundtracks durch, die Hintergrundmusik etwa, nicht aber der Kommentar, oder im Magazin ist alles perfekt, nur wenn die Moderatorin im Studio spricht, hört man sie nicht. Kaum zu glauben: Sollten da ein paar Dilettanten am Mischpult sitzen?

Das Programm ist mit hiesigen Sendern kaum zu vergleichen, schon in der zeitlichen Struktur: Es ist rigide in Halbstundenportionen eingeteilt und wird den Tag über (hier im Jemen jedenfalls) in drei Sprachen gesendet: deutsch, englisch und arabisch. Keine Sendung darf also kürzer oder länger sein. DW-TV versteht sich als Nachrichtenkanal und leistet sich ein eigenes Nachrichtenstudio, es werden keine Meldungen von ARD oder ZDF übernommen. Die Schwerpunkte liegen eindeutig bei Wirtschaft und Börse, als seien vor allem Unternehmer- und Finanzkreise die Zielgruppe. Es gibt keine Spielfilme und keine Serien, und es gibt keine Produktwerbung. Die Trailer für künftige Sendungen sind allerdings viel nerviger: Clips, in denen kein Bild länger als 0,5 Sekunden steht, begleitet von aufpeitschender Hammermusik aus der elektronischen Retorte, werden gnadenlos wochenlang bis zu 20 mal pro Tag wiederholt.

Wohl wichtigstes Element und Markenzeichen des Programms ist jedoch das Magazin "Euromaxx", das mit großem Aufwand täglich neu produziert wird. Es handelt sich dabei nicht um ein kritisches oder auch nur den Alltag in der Bundesrepublik reflektierendes Format wie etwa Report oder Monitor, sondern Euromaxx (das Doppel-x ist Programm) ist eher eine Art Feuilleton auf niedrigstem Niveau. So wurde am 20.3. über folgende Themen "berichtet": Nick Cage kauft sich ein Schloß, Frau Gröhl macht den Schneehunde-Führerschein, Bocuse kocht für die Reichen, Millionärs-Heilbad Irma, Untergrund-Kunst in Düsseldorf. Und am folgenden Tag gab es unter anderen (Tokio Hotel in Frankreich, Kuppel des Reichstags wird geputzt, Frau Klum und die Haarspraywerbung, Leben hinter Schloßmauern) auch einen umweltorientierten Beitrag: In Bayern hat ein Priester in seiner Kirche die Heizung abgestellt, um Energie zu sparen. Dafür gibt's Heizkissen auf den Bänken, die sich automatisch einschalten, wenn sie durch den entsprechenden Körperteil belastet werden. Allerdings - gibt da der ehemals katholische Zeitgenosse zu bedenken - müßte die Liturgie der Messe vielleicht geändert werden: Nur bei der Predigt darf der Gläubige sitzen, die meiste Zeit muß er stehen oder knien, und friert.

Wenn auch öffentlich-rechtlich strukturiert, ist DW-TV natürlich Staatsfernsehen. Die Bundesregierung gibt dem Programm offensichtlich bewußt eine Ausprägung, die sich an deutsche Wirtschaftsbosse und neoliberal orientiert Eliten im Ausland wendet. Diese Zielgruppe ist wahrscheinlich in der Lage, das Bild, das so von der Bundesrepublik vermittelt wird, zu relativieren und als Freizeit- und Zerstreuungs-Angebot zu genießen. Was aber ein zuschauender Ausländer, der nicht zur Kapital-Elite gehört, daraus entnehmen muß, hat womöglich verheerende Folgen. Euromaxx zufolge haben die Menschen in Deutschland (Europa) keine anderen Probleme als die mörderische Frage, wer mit wem schlief (Film-Untertitel von Rossini) und, wie man seine Zeit am besten unter Einsatz von möglichst viel Geld vertreiben kann.

Ist es da ein Wunder, daß Tausende alles, sogar ihr Leben wagen, um in dieses Lifestyle-Land zu gelangen, wo, wie DW-TV täglich zeigt, Milch und Honig fließen?

Günter Giesenfeld