Uschi O.

Zwei Katastrophen hätten Deutschland zu Beginn dieses Jahres heimgesucht: Der Sturm Kyrill und die Rückkehr der Uschi Obermaier, schreibt der französische Filmkritiker Yves Petignat in Le Temps. Aber der zu ihrem 60. Geburtstag entfesselte Mediensturm über die Verkörperung der sexuellen Revolution von 1968 war eher harmlos und wurde ein weiteres Mal zur Destruktion einer Ära genutzt.

Denn schon damals waren die Widersprüche ihres kurzen Gastspiels in der aktuellen Politik nur zum Anlaß für hämische Klischees genommen worden. Sie verdiente als Fotomodell sehr gut und finanzierte die Kommune 1, so daß deren Mitglieder ihre Tage mit Nichtstun verbringen konnten. Bei politischen Diskussionen in der Kommune schlief sie meistens ein. Sie wollte sich vergnügen mit Sex, Drogen und Rockmusik und gab Anlaß für voyeuristisch-spöttische Kommentare über die 1968er Bewegung: Die kriegten ja noch nicht einmal den Schwanz hoch.

Zum Jubiläums-Interview im stern, der ihre Titelbilder-Karriere damals eröffnet hatte, zog sie sich noch einmal nackt aus, und die Bilder zeigen einen immer noch schönen, erotisch attraktiven Körper, der, mit einiger "Nachhilfe", wie sie eingesteht, so sehr ihren früheren Bilder gleicht, daß es fast wie ein Symbol erscheint: Sie sieht so aus wie früher und redet wie früher, auch als im idyllisch ländlichen Luxus lebende US-Staatsbürgerin, die Schmuck entwirft.

Viele haben sich gewundert, daß bislang noch niemand auf die Idee gekommen war, daraus einen Film zu machen. Der Stoff bot sehr wohl die Chance, am aufregenden Leben dieser Ikone (laut Duden "Person als Verkörperung bestimmter Werte, Vorstellungen, eines bestimmten Lebensgefühls") Bedingungen und Chancen jener politische Bewegung zu ergründen, die die Nachkriegsgeschichte unseres Landes immerhin stark geprägt hat.

Der jetzt in die Kinos lancierte Film des Regiedebütanten Achim Bornhack Das wilde Leben, an dem sie und ihr ehemaliger Kommune-Freund Rainer Langhans angeblich mitgearbeitet haben, sollte denn auch eine "mitreißende Lovestory und eine Geschichte über eine starke Frau" (so Produzent Eberhard Junkersdorf) werden. Die Handlung orientiert sich am Lebensweg der Uschi O.: ihr Ausbrechen aus der langweiligen Milieu in der Münchner Vorstadt Sendling mit direkter Landung in der Kommune 1, ihr Gastspiel bei den 1968ern, dessen Darstellung sich an bekannten Photos und Details aus dem Nähkästchen der Wohngemeinschaft orientiert, ihre Affären mit berühmten Rockstars, die alle als Drogenruinen gezeichnet sind und deren Musik man nicht hören darf, schließlich die Weltreise mit dem Hamburger Kiezkönig Dieter Bockhorn inklusive Traumhochzeit in Indien, bezahlt von einer indischen Maharani. Dieter fährt sich schließlich in Mexiko mit dem Motorrad zu Tode, das Trauerphoto am Anfang und Ende zeigt Uschi, nackt wie fast immer, traurig am Meer stehend, wo ferne der Leichnam im brennenden Boot langsam ins nasse Grab versinkt. Kein Wort, kein Bild über ihre anschließenden Geldnöte, ihre Entziehungskuren, ihre Depressionen, die Erkenntnis, als Matratze für Rockstars gedient zu haben.

Die Tatsache, daß Uschi O. stets nur ein Anhängsel der 1968er Bewegung war "mit dem politischen Bewußtsein einer Amöbe" (so Rainer Kunzelmann), mag es rechtfertigen, den politischen Kontext nur schemen- und klischeehaft zu karikieren, Damit wird der Film aber seiner eigentlichen dramaturgischen Möglichkeiten beraubt, die aus einer tiefergehenden Darstellungen der beiden "Dunstkreise" (Kommune 1 und St. Pauli) ableitbar gewesen wären. Darüber hinaus fehlen wichtige Stationen ihres Lebens: so die Filme, in denen mitgespielt und, fast noch deutlicher als durch ihr mediennotorisches Leben, Gefühle und Träume ihrer Generation dargestellt hat (Detektive 1968 und Rote Sonne 1969, beide von Rudolf Thome).

Der Film handelt die "politischen" Jahre sprunghaft, oberflächlich und fast beiläufig ab, um sich dann breit und breitwandig der Weltreise zu widmen. Aber es bleibt bei Touristenbildern und bei Episoden auf Traumschiff-Niveau. "Nein, auch für Uschi Obermaier interessiert sich diese Film nicht die Bohne" (Filmdienst), allenfalls für ihren nackten Körper. Und auch der ist so harmlos dargestellt, daß sich sogar 12-Jährige legal im Kino zwei Stunden lang daran erfreuen dürfen.

Günter Giesenfeld